Wahnsinn

Als Wahnsinn wurden bis etwa zum Ende des 19. Jahrhunderts bestimmte Verhaltens- oder Denkmuster bezeichnet, die nicht der akzeptierten sozialen Norm entsprachen. Unterstellt wurde dabei stets ein dieser Norm konformes Ziel. Meist bestimmten gesellschaftliche Konventionen, was unter „Wahnsinn“ verstanden wurde: Der Begriff konnte z. B. wie das Wort Verrücktheit für bloße Abweichungen von den Konventionen (vgl. lateinisch delirare aus de lira ire, ursprünglich landwirtschaftlich „von der geraden Furche abweichen, aus der Spur geraten“) stehen. Er konnte aber auch für psychische Störungen verwendet werden, bei denen ein Mensch bei vergleichsweise normaler Verstandesfunktion an krankhaften Einbildungen litt, bis hin zur Kennzeichnung völlig bizarrer und (selbst-)zerstörerischer Handlungen. Auch Krankheitssymptome wurden zeitweilig als Wahnsinn bezeichnet (etwa jene der Epilepsie oder eines Schädel-Hirn-Traumas).

Der Begriff des „Wahnsinns“ wurde historisch einerseits in unterschiedlichen Kontexten mit verschiedenen Bedeutungen verwendet und andererseits rückblickend auf verschiedene Phänomene angewendet. Daher ist er ein medizin- und kulturgeschichtlich nur schwer eingrenzbares, kaum zu definierendes und zum Teil widersprüchliches Phänomen. Welche Normabweichungen noch als „Verschrobenheit“ akzeptiert wurden und welche bereits als „verrückt“ galten, konnte sich abhängig von Region, Zeit und sozialen Gegebenheiten erheblich unterscheiden. Daher lassen sich moderne Krankheitskriterien und -bezeichnungen in der Regel nicht auf die historischen Ausprägungen von Wahnsinn anwenden.[1] Am ehesten würde heute die Diagnose Schizophrenie dem Wahnsinn entsprechen.

  1. Neel Burton: Der Sinn des Wahnsinns. Psychische Störungen verstehen; Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011. Siehe auch zeit.de: Interview

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